Der Bandscheibenvorfall, der keiner ist
Rückenschmerzen haben sich mittlerweile fest als Volkskrankheit etabliert. Auch in der psychosomatischen Medizin sind Rückenschmerzen mit etwa 90 % weit in Führung bei den somatischen Beschwerdebilder.
Häufig kommen dabei Patienten mit der ärztlichen Diagnose ” Bandscheibenvorfall” zu uns in die Physiotherapie. Auch den Patienten wird das genauso kommuniziert. Nicht selten sind diese emotional total aufgelöst und wurden überhaupt nicht aufgeklärt, wie es jetzt weiter geht. Manche glauben sogar, dass sie damit jetzt für immer leben müssen. Wenn ich dann im Rahmen der physiotherapeutischen Anamnese und Diagnostik das Beschwerdeprofil abfrage, ist oftmals von keinerlei Spur von Bandscheibenvorfall-typischen Symptomen oder ähnliches.
Wie kann das sein? Standardmäßig kommt man bei Rückenschmerzen früher oder später ins MRT oder CT, also bildgebenden Verfahren. Das ist auch richtig so. Die Krux beginnt bei der Interpretation des Befundbildes. Oftmals sind an den Bandscheiben Vorwölbungen sichtbar. Diese können auch bis zum Spinalnerv vordringen und diesen scheinbar komprimieren.
An dieser Stelle steht meistens schon die Diagnose Bandscheibenvorfall fest. In einer qualitativen Therapie müssen wir jedoch immer den kausalen Zusammenhang zwischen Befund und Symptome des Patienten herstellen. Dies gilt sowohl für die Physiotherapie als auch für die Psychotherapie.
Dies herauszufinden, kann etwa so aussehen:
- Ist es wirklich dieses Thema in meinem Leben, welches in mir belastende Gedanken/Gefühle auslöst?
- Ist es wirklich der Bandscheibenvorfall, welcher meine typischen Symptome auslöst?
- Oder ist der Bandscheibenvorfall oder das Thema zwar präsent in meinem Leben, verursacht jedoch gar nicht oder nur zum Teil die im Moment belastenden Gedanken oder körperlichen Schmerzen?
Mit den sorgsam beantworteten Fragen steht und fällt jede Therapie. Diese Antworten bilden die Grundlage der Diagnose und Behandlung.
In einem System, in dem man als Kassenpatient schnell abgefertigt wird, muss man deshalb selbst immer mit dem Kopf dabei bleiben. Sonst kann es so enden, wie vielen meiner Patienten… Sie machen unendlich viele krankengymnastische Übungen, ohne dabei das wirkliche Problem zu bearbeiten. Sie setzen sich im Rahmen der Verhaltenstherapie mit Ihren Gedanken auseinander, obwohl Sie jetzt etwas ganz anderes brauchen. Manche Patienten unterziehen sich sogar einer Operation und wachen mit denselben Schmerzen auf, mit denen Sie zur OP eingeschlafen sind.
Genauer gehe ich auf diese Problematik in meinem neuen Ratgeber ”Schmerzpsychologie” ein. Schauen Sie sich diesen gerne hier auf meiner Webseite an und lesen sie diesen hier kostenlos zur Probe.
Allgemein hilft es auch immer, sich eine Zweitmeinung einzuholen. Eine gute Diagnose braucht Zeit. Denn der Weg zur ganzheitlichen Diagnose beinhaltet, den Menschen bio-psycho-sozial zu scannen und auch Aspekte, wie die Ernährung aktiv mit einzubinden.
Typische konkrete Verwechslungsgefahren für einen Bandscheibenvorfall (müssen differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden) sind:
ISG-Blockade, LWS-Blockade, M.Piriformis-Syndrom, vegetative Dysbalance
Diese Möglichkeiten darf der Therapeut Ihres Vertrauens durch eine gründliche Untersuchung ausschließen. Denn insbesondere Stress und Belastungssituationen lösen schnell Rückenschmerzen aus. Lassen Sie sich vor allem bei anhaltenden Schmerzen von ganzheitlich orientierten Therapeuten und Behandlungskonzepten betreuen. Dort stehen die Chancen auf eine gute Regeneration für Sie am besten.
Fazit:
Selten ist es eine gute Idee einfach mal drauf los zu therapieren, weil man im MRT eine Vorwölbung sieht oder glaubt, es könnte von hier und da kommen. Sicherlich muss man manchmal etwas ausprobieren, jedoch müssen wir uns am Ende immer sicher sein, was jetzt wirklich die Ursache für die Problematik ist. Deshalb wollte ich Sie mit diesem Beitrag etwas sensibilisieren und zur Achtsamkeit aufrufen, wenn es um schnell gestellte Diagnosen geht.